Mit der Entscheidung des Landes Niederösterreich, die Landesausstellung 2019 nach Wiener Neustadt zu vergeben, hat nicht nur in der Stadt, sondern auch in der umliegenden Region (touristischer Bereich „Wiener Alpen in Niederösterreich“) eine Ideenfindung eingesetzt, um die einmalige Chance zur Regionsentwicklung nicht zu versäumen. Wie zahlreiche andere Gemeinden sieht auch die Marktgemeinde Lanzenkirchen für sich Perspektiven einer nachhaltigen Aufarbeitung seiner Vergangenheit für kulturell-touristische Zwecke. Um ehrlich zu sein: So eine Gelegenheit kommt wahrscheinlich nie wieder!
Mit der Geschichte um das Schloss Frohsdorf und den in seinem Umfeld angesiedelten Bourbonen-Thema (Exil-Residenz des letzten französischen Thronprätendenten der älteren Linie des Hauses Bourbon, Graf von Chambord) besitzt die Gemeinde Lanzenkirchen ein Juwel, für dessen Veredelung nunmehr die Zeit gekommen sein könnte. Der Gemeinderat hat bereits vor einigen Wochen diesbezüglich verschiedenste Maßnahmen einstimmig beschlossen. Unter anderem wurden zwei Arbeitskreise gebildet, die nahezu permanent tagen. Einer beschäftigt sich mit der „Hardware“ (begleitende planerische und wirtschaftliche Projektbetreuung etc.), der andere ist für den wissenschaftlichen Part („Software“) zuständig. Ersterer wurde der Projektplanungs- Beratungs- und Entwicklungs-GmbH des Dipl. HLFL-Ing. Erich Mandl (Referenzen: u.a. Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt, Eis-Greisslerei Blochberger) übertragen, für das Wissenschaftliche steht Bundesrat Martin Preineder an vorderster Front. Unterstützt wird er vom Journalisten Hans Tomsich, Sta. Christiana-Direktor Alexander Kucera und der Regisseurin Mag. Karin Wally, die derzeit an einer Film-Dokumentation über „Heinrich V. – der ungekrönte König“ (Anmkg.: Graf von Chambord) arbeitet. Dafür hält sie sich oft in Frankreich auf und pflegt ihre guten Kontakte zu Verantwortlichen von Schloss Chambord, dem prächtigsten aller Loireschlösser.
Ebendort war es Mag. Karin Wally kürzlich gelungen, das Interesse des Kurators von Schloss Chambord für das Museumsvorhaben in Lanzenkirchen zu wecken. So intensiv, dass sich unverzüglich eine kleine Delegation aus Chambord auf die Spuren des Grafen von Chambord in Österreich machte. In Lanzenkirchen wurde sie dieser Tage von Bürgermeister Bernhard Karnthaler, Martin Preineder und Hans Tomsich in das geplante Projekt eingeweiht. Mag. Karin Wally hatte für die Museumsexperten aus Frankreich ein interessantes Programm zusammengestellt, wobei zahlreiche in die geplante Ausstellung einbezogene Örtlichkeiten besucht wurden. So konnte das Schloss Frohsdorf vom Schlosshof und vom Park aus besichtigt werden. Außerdem schaute die Delegation auch beim Pädagogischen Zentrum Sta. Christiana und am Lilienhof vorbei. Aus den Gesprächen am Gemeindeamt und später im Golfrestaurant beim Mittagessen ergaben sich zahlreiche Möglichkeiten einer konstruktiven Zusammenarbeit (vor allem in Hinblick auf Exponate), die von beiden Seiten angestrebt wird.
Schloss Chambord ist das größte Schloss der Loireregion. Es liegt etwa zwei Autostunden in südlicher Richtung von Paris (bei Orléans) entfernt und wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter König Franz I. als Prunk- und Jagdschloss errichtet. Es diente allerdings weder dem Erbauer noch anderen französischen Herrschern als dauerhafte Residenz. Als Jagdsitz nahm das Schloss aber eine bedeutende Rolle ein und galt unter Herrschern als der Inbegriff, was menschliche Kunst hervorzubringen vermag. Sonnenkönig Ludwig XIV nutzte es gelegentlich für opulente Feste. Schloss Chambord mit seinem Park steht seit 1981 auf der Unesco-Weltkulturerbeliste und ist für Besucher zugänglich. Das Jagdgebiet des Schlosses ist mit 5.433 Hektar fast so groß wie die Fläche von Paris (Infos aus Wikipedia). Der Ort Chambord ist allerdings nur eine kleine Gemeinde mit rund 200 Einwohnern.
Ein geschichtliches Detail: Den Titel „Graf von Chambord“ nahm Heinrich V, Herzog von Bordeaux, erst in seinem Exil in Österreich – es befand sich anfangs im rauen Waldviertel - an. Sein Großvater König Karl X., welcher 1830 durch die Julirevolution gestürzt wurde und mit allen Bourbonen ins Exil gehen musste, starb sechs Jahre später in Görz (heute Slowenien, damals Österreich). Danach sahen die französischen Legitimisten den 1920 geborenen Heinrich als den rechtmäßigen König von Frankreich an, zumal Karl X. zugunsten seines Enkels Heinrich auf den Thron verzichtet hatte. „Heinrich V., Graf von Chambord“ nannte er sich aber erst nach dem Ableben seines Onkels, des Herzogs von Angoulême, im Jahre 1844. Er trat danach seine Stellung als Oberhaupt der Familie Bourbon an. Damals war er 24 Jahre alt. Seine Tante, Marie Thérèse Charlotte de Bourbon, Herzogin von Angoulême, Titularkönigin von Frankreich (die älteste Tochter von König Ludwig XVI und Königin Marie Antoinette von Österreich) machte noch im selben Jahr die Schlossherrschaft Frohsdorf zu ihrem Ruhesitz und gab dort letztlich ihrem Neffen Heinrich und seiner späteren Gattin Maria Theresia einen würdigen Rahmen für seinen Königssitz im Exil.